Zoll? IT? Am besten integriert!
Digitalisierung der Zollprozesse und Strategie der Zollfunktion

Die Umsetzung der Digitalisierung von Geschäftsprozessen fordert Zoll- und Außenwirtschaftsverantwortliche in signifikanten Umfang – zusätzlich zu den sich teilweise täglich ändernden Herausforderungen durch Handelskriege, den BREXIT oder Sanktionsmaßnahmen. Der Einfluss der Digitalisierung auf die relevanten Produktions-, Einkaufs-, Vertriebs- und Logistikprozesse mit Bezug zum Zoll- und Außenwirtschaftsrecht erfordert in hohem Maß Veränderungen. Andererseits bietet sich die Chance, effiziente und zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.

Digitalisierungs- und Automatisierungspotenziale erkennen

Der erste Schritt und bereits eine große Herausforderung besteht darin, die für das Unternehmen wichtigsten Digitalisierungsansätze und -potenziale zu identifizieren, zu priorisieren und hinsichtlich ihrer Umsetzung in ein Projektformat zu fassen. Für Prozesse im Zoll- und Außenwirtschaftsbereich ist in der Regel der umsetzungsverantwortliche Fachbereich die Zoll- und Exportkontrollfunktion in Zusammenarbeit mit weiteren Bereichen des Unternehmens (insbesondere IT und Logistik). Neben der finanziellen Ausstattung des Projekts ist der Aufbau einer integrierten, maßgeschneiderten Projektorganisation unabdingbar.

Eine weitere Hürde ist der Personalmangel, gerade in den hier relevanten Bereichen Zoll, Außenwirtschaft und Informationstechnologie. Noch schwieriger allerdings ist es, Mitarbeiter mit Fähigkeiten in beiden Bereichen sowie im Projektmanagement zu finden. Oft stehen den Unternehmen – insbesondere bei kurzfristigen Bedarfen – benötigte Ressourcen nicht zur Verfügung, weshalb einige Beratungsunternehmen integrierte, spezialisierte Teams aufgebaut haben.

Prozesse optimal gestalten

Sobald die Projektorganisation aufgebaut ist, bieten sich Chancen, eigene strategische Ziele zu verwirklichen und Prozesse effektiver zu gestalten. Betrachtet man zunächst die externe Seite – also die Interaktion mit Behörden und Zollvertretern – kann ein erster quick win im Aufbau automatisierter Schnittstellen zur Übermittlung zollanmelderelevanter Datensätze aus den ERP-Systemen des Unternehmens (Zollanmelder) an den Verzollungsdienstleister (Zollvertreter) liegen. Geben Unternehmen mittels eigener Software Zollanmeldungen ab, müssen Schnittstellen zur Übertragung relevanter Daten aus dem ERP-System hin zur Zollsoftware aufgebaut werden. Durch diesen Ansatz sichern die Unternehmen ihre Daten- und Prozesshoheit über ihre zollrelevanten Transaktionen. Außerdem erzielen sie in kurzer Zeit signifikante Effizienzgewinne und Kostenvorteile.

Digital- und Zollstrategie im Unternehmen zusammenbringen

Strategische Digitalisierungs- und Automatisierungsoptionen für Unternehmen ergeben sich insbesondere im Zusammenhang mit Freihandelsabkommen. Aus Freihandelsabkommen resultierende Präferenzabkommen gewinnen in strategischer wie finanzieller Hinsicht eine immer größere Bedeutung bei der Erschließung von Märkten, denn bei Erfüllung der abkommensspezifischen Voraussetzungen ergeben sich Zollvorteile bei der Einfuhr von Präferenzursprungswaren. Müssen Produzenten bzw. Exporteure den Präferenzursprung einer Ware belegen, geschieht dies im Wesentlichen durch den Nachweis des Ursprungserwerbs mittels ausreichender Be- oder Verarbeitung der Vormaterialien im Abkommensraum.

Vor Markteintritt bzw. Produkteinführung sollten Unternehmen daher analysieren, ob sich das betreffende Produkt beim Import im Abkommensmarkt als Präferenzursprungsware qualifiziert und dies fortlaufend in materiell- und formalrechtlicher Hinsicht belegt werden kann. Basierend auf einer in den ERP-Systemen gepflegten Stückliste wird dieser Nachweis (im Wesentlichen) anhand des Präferenzursprungs der eingesetzten Vormaterialien sowie unter Einbeziehung weiterer produktspezifischer Kosten- und Preiselemente geführt. Bei einem neu zu bewertenden Produkt findet diese Analyse im Vergabeprozess der Vormaterialien statt: In einem zwischen Einkaufs-, Zoll-, Produktentwicklungs- und Vertriebsfunktion abgestimmten Prozess ist der Umfang der erforderlichen Vormaterialien mit Präferenzursprung im Abkommensraum festzulegen, um den Nachweis der ausreichenden Wertschöpfung ab Produktionsstart sicherzustellen und Zollvorteile dadurch abzusichern. An dieser Stelle sind schnittstellenübergreifende Prozesse erforderlich. Nur so kann in Planungsszenarien eine fortlaufende Abstimmung und Entscheidungsfindung zwischen allen beteiligten Funktionen gewährleistet werden. So sind beispielsweise in ERP-Systemen vorhandene vergaberelevante Daten der Einkaufsfunktion (insbesondere Festlegungen der Lieferanten bzgl. des Präferenzursprungs der Vormaterialien) zu verdichten.

Während der Vertriebsdauer eines Produkts sollten revisionssichere IT-Tools zum Monitoring der fortlaufenden Erfüllung der Ursprungskriterien, zur Re-Kalkulation des Präferenzursprungs und zum Nachhalten der Ursprungsnachweise der Vormaterialien (Lieferantenerklärungen) zum Einsatz kommen. Diese sind darüber hinaus auch geeignet, eventuellen zivilrechtlichen Ansprüchen von Kunden im Fall fehlerhaft ausgestellter Präferenznachweise vorzubeugen.

Fazit

Auf kurze bis mittlere Sicht sind Unternehmen gefordert, eine digitale und weitestgehend automatisierte Prozessarchitektur aufzubauen – neben den im Zoll- und Außenwirtschaftsbereich zu erfüllenden rechtlichen Voraussetzungen. Unternehmen sollten dies in der Planung der Zusammensetzung der relevanten Funktionen nutzen, um bisher nicht genutzte Effizienz- und Kosteneinsparpotenziale zu heben. Integrierte Zoll/IT-Teams sind hierfür eine Grundvoraussetzung – sei es unternehmensintern oder bei der Inanspruchnahme spezifischer Projektberatungsleistungen durch Dienstleister.