Digitalisierung in Zoll und Exportkontrolle: Chancen und Grenzen

Digitalisierung im Zoll- und Exportkontrollkontext

Die Zollverwaltung hat bereits Anfang der 2000er Jahre damit begonnen, die Zollanmeldeprozesse in ATLAS auf elektronischem Wege abzuwickeln. Seit einigen Jahren laufen die Prozesse für die jeweiligen Zollverfahren vollautomatisiert ab.

Die Digitalisierung auf Verwaltungsseite hat in der Folge auch Unternehmen dazu bewogen, das Einheitspapier nach und nach ad acta zu legen und Zolldeklarationsprozesse zu digitalisieren, entweder durch die Implementierung von Zoll-IT-Lösungen oder einen schnittstellenbasierten Datenaustausch mit ihren Zolldienstleistern.

Für Industrie 4.0 ist das Internet die zentrale Technologie. Während Unternehmen sich bereits auf dem Weg zu einer weltweiten Vernetzung über Unternehmens- oder Ländergrenzen hinweg und einer digitalen Produktion befinden, sind aktuell die wenigsten Zollkodifikationen geeignet, den Herausforderungen von Blockchain, Machine-to-Machine-Kommunikation, Crypto Currencies, Micro Payments etc. zu begegnen. Neue Geschäftsmodelle bringen neue Herausforderungen für Kontrollen und angepasste gesetzliche Rahmenbedingungen mit sich: Daten werden sowohl für Unternehmen als auch für Zollverwaltungen zum eigentlichen Kern ihrer Operationen.

Identifikation von Digitalisierungspotenzialen

Wie gelingt es, brach liegende Digitalisierungspotenziale von Prozessen im Zoll- und Exportkontrollbereich zu identifizieren? Häufig zeigt sich, dass Zoll- und Exportkontrollfunktionen im Rahmen von unternehmensweiten Digitalisierungsinitiativen eher „Projektzuleister“ als Projektsponsor sind. Das heißt: Sie können zunächst keinen Vorteil aus diesen Initiativen ziehen, der sich unmittelbar in den Zoll- und Exportkontrollprozessen niederschlagen würde.

Deswegen sollte die Zoll- und Exportkontrollfunktion ebenfalls immer die Möglichkeiten einer (weiterführenden) Digitalisierung der eigenen Prozesse analysieren. Nur so lassen sich Potenziale identifizieren, deren Umsetzung einen direkten zoll- bzw. exportkontrollbezogenen Mehrwert mit sich bringt – was die Akzeptanz des Projekts deutlich steigert!

Dies ist etwa der Fall, wenn

  • das Compliance-Level erhöht wird, beispielsweise durch den Wegfall von Fehlerquellen bei manuellen Prozessen oder Medienbrüchen,
  • die Effizienz von Zoll- und Exportkontrollprozessen und damit zusammenhängenden Schnittstellenprozessen gesteigert wird,
  • Automatisierung manuelle Prozesse ablöst und dadurch Transparenz und Auswertbarkeit ermöglicht,
  • Kontrollen bzw. das Risikomanagement allgemein weitestgehend automatisiert und ohne enorme Ressourcenbindung ablaufen,
  • Analyse, Auswertung, Modellierung und Reporting von Stamm- und Transaktionsdaten zeitnah und elektronisch stattfinden und dadurch die erforderliche Transparenz in Bezug auf Risiken und Einsparpotenziale schaffen.

Zunächst ist eine vollständige Erfassung der relevanten Kernprozesse im Rahmen eines Process Mappings vorzunehmen. Diese Bestandaufnahme bildet die Grundlage für alle folgenden Phasen eines Zoll- und Exportkontroll-Digitalisierungsprojekts.

In einem nächsten Schritt gilt es, Qualität und Effizienz der bestehenden Prozesslandschaft zu evaluieren und die gewonnenen Erkenntnisse in die Formulierung je eines prozessbezogenen Zielbildes zu überführen. Die Beseitigung identifizierter Prozessschwächen sollte hierbei im Vordergrund stehen, denn die Digitalisierung fehlerhafter Prozesse ist weder gewollt noch zielführend.

Umsetzung von Digitalisierungsprojekten

Viele Unternehmen haben bereits vor Jahren zentrale Standardsoftwarelösungen für Zollmanagement und Exportkontrolle eingeführt. In weiteren Digitalisierungsprojekten zahlt sich diese Strategie der integrierten Plattform aus. Sie ist die Basis für weitere Automatisierungspotentiale, für die Schaffung von globalen Templates und die Abgrenzung zu Lokalisierungsthemen im Projekt.

Dies erkennt man schon bei vergleichsweise einfachen Verkaufsprozessen:

Ein Auftrag an einen Kunden wird im Warenwirtschaftssystem angelegt. Die über Schnittstellen angebundene Softwarelösung für Zoll- und Exportkontrolle erhält die Daten im Hintergrund zur Prüfung. Sämtliche Geschäftspartneradressen, das Zielland und alle Materialien werden entsprechend gegen Sanktionslisten, Embargos und exportkontrollrechtliche Bedingungen geprüft. Wird eine Bedingung nicht erfüllt, z.B. weil eine erforderliche Ausfuhrgenehmigung nicht vorliegt, wird der Auftrag gesperrt. Er kann nur durch einen für Exportkontrolle zuständigen Mitarbeiter entsperrt werden. In klassischen Warenwirtschaftssystemen wird nun eine Lieferung und evtl. ein Transport angelegt. Auch hier werden oftmals sämtliche Prüfschritte automatisch erneut durchlaufen. Der Zeitpunkt des Warenausgangs wird oft gewählt, um nun die Daten für die Ausfuhrzollanmeldung an die Zollsoftware zu senden. Dort wird ein Zollbeleg angelegt, der mit Stammdaten aus der Zollsoftware ergänzt wird, wie z.B. Zolltarifnummern. Auf Basis von intelligenten Logiken können manche Zollsoftwarelösungen weitere erforderliche Informationen wie z.B. die Ausgangszollstelle automatisch auf Basis der Route ergänzen. Im Idealfall werden alle erforderlichen Daten für die Ausfuhrzollanmeldung automatisch auf Basis der Daten aus dem Warenwirtschaftssystem, den Stammdaten in der Zollsoftware und darin hinterlegten Logiken eingetragen. Der Beleg wird elektronisch an die Zollbehörde übermittelt, welche elektronisch die Überlassung zurücksendet. Nach Ausgang an der EU-Außengrenze wird als letzte elektronische Nachricht der Ausgangsvermerk übermittelt. Einige Unternehmen haben hier bereits eine fast 100-prozentige Automatisierung erreicht.

Grenzen der Digitalisierung

Industrie 4.0 umzusetzen ist ein komplexes Vorhaben: Je mehr Abläufe Unternehmen und Behörden digitalisieren und vernetzen, desto mehr Schnittstellen entstehen zwischen den Akteuren. Dies erfordert einheitliche und länderübergreifende Normen und Standards. IT-Sicherheit und Datenschutz spielen dabei eine ebenso zentrale Rolle wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Eine große Hürde ist nach wie vor der Austausch von Daten zwischen Zoll- und Sicherheitsorganisationen weltweit. Konzepte zur „Trade facilitation“ oder „single-window“ gibt es zwar seit den frühen 90er Jahren, konsequent umgesetzt wurden sie bis heute nicht. Im Gegenteil: Die Umstellung auf eine elektronische Abwicklung hat z.B. in der EU dazu geführt, dass sämtliche Mitgliedsstaaten ein eigenes IT-System entwickelt haben. Aktuell gibt es aber keinen Anbieter von Standardsoftware, der eine Anbindung an alle Systeme anbieten kann.

Fazit

Bei der vierten industriellen Revolution geht es nicht nur um Digitalisierung, sondern um eine ganzheitliche Transformation – auch in Zoll und Exportkontrolle. Die Digitalisierung der Zollbehörden kann dabei nur mit einer Vereinfachung und auf die Digitalisierung ausgerichteten Veränderung aller Zollprozesse einhergehen. Die Digitalisierung auf Unternehmensseite darf dabei weder die rechtlichen Rahmenbedingungen noch die wirtschaftlichen Vorteile durch ein gezieltes Zollmanagement aus den Augen verlieren.

Nicht zuletzt spielt auch der „Faktor Mensch“ eine zentrale Rolle. Agiles Arbeiten wird sowohl bei den Behörden als auch auf Seiten der Wirtschaft immer stärker gefordert und zur Regel werden. Rollen werden sich ändern, Kooperationen immer wichtiger werden. Im Idealfall werden „obrigkeitliche Behörden“ und staatliche Institutionen zu einem starken Partner von Wirtschaft und Gesellschaft.

Michael Tomuscheit
Michael Tomuscheit Geschäftsführer
Angela Fankhänel
Angela FankhänelFreiberufliche Unternehmensberaterin